Burnout vermeiden

Januar 4, 2024

Darüber kann ich viel erzählen, dachte ich mir, als ich einen Kurs mit dem gleichen Titel bei LinkedIn sah. Wer ausbrennt, muss gebrannt haben, ist ein sehr wahrer Spruch.
Ich war 2017 elf Monate lang krankgeschrieben wegen Burnout. Was ja nicht stimmt, Burnout ist keine Diagnose, die Diagnose bei mir war Depressionen und Angst gemischt. An die Krankschreibung schloss sich eine siebenwöchige Reha- Maßnahme im Schwarzwald an, die meine Akkus aufgeladen hat.
Ich erzähle meine Geschichte in folgender Struktur und mit meinen gewonnenen Erkenntnissen.

  1. Was sind das für Menschen, die im Burnout landen?
  2. Wie habe ich realisiert, dass ich Hilfe brauche?
  3. Was habe ich getan, als ich drin steckte?
  4. Was habe ich getan, damit es nicht nochmal passiert?
  5. Wie kann ich (als Manager) anderen helfen, bei denen ich den Burnout kommen sehe?

1. Was sind das für Menschen, die im Burnout landen?

Im Burnout landen Menschen, die sich nicht fühlen können. Menschen, die nicht fühlen können, wer sie sind, was sie brauchen und was sie nicht brauchen. Die keine Grenzen setzen können und nicht Nein sagen können. Ausgebrannte sind kaputte Seelen. Menschen, die nie gelernt haben, dass sie wertvoll sind, so wie sie sind. Mit ihrer eigenen inneren Wahrheit. Und mit allem, was sie fühlen. Menschen, die zu dem wurden, wie andere sie wollten. Die Eltern, die Schule, der Arbeitgeber, die Gesellschaft, Kirche, Religion.
Menschen, die leisten, sich anpassen, unterordnen, sich den Arsch wegarbeiten und funktionieren. Über alle eigenen Grenzen hinweg.
Ich konnte mich nicht fühlen, ich konnte meine Grenzen nicht fühlen. Ich konnte nicht NEIN sagen. Und ich dachte, ich werde geliebt, wenn ich leiste. Und dass ich für Liebe leisten muss. So wie ich in meiner Kindheit konditioniert wurde. Ich hatte wenig Selbstwert und war mir nicht wichtig und entsprechend hatte ich auch keine Selbstliebe.
Die Aussicht geliebt zu werden, wenn ich doch nur ausreichend leiste, ist eine unglaubliche, intrinsische Motivation. Meinen Burnout habe ich selbst „verzapft“. Privat hatte ich mich getrennt und versuchte, es für meine Kinder trotzdem „perfekt“ zu machen, den Vater zu ersetzen. Aus der Trennung ergaben sich Rechtsstreitigkeiten, die mir viel Energie raubten. Im Business war ich Managerin geworden, hatte Mitarbeiter und zog trotzdem weitere Projekte an mich.
Der Ausblick geliebt zu werden von meinen Kindern, den Mitarbeitern, den Kollegen, meiner Mutter, vom Liebhaber, wenn ich doch nur genug leiste und funktioniere, immer da bin, hat mich brennen lassen für alles, wo ich leisten und funktionieren konnte. Wer viel brennt, brennt irgendwann aus.

2. Wie hast Du realisiert, dass Du Hilfe brauchst?

Ich selbst habe es nicht realisiert. Ich habe alle Warnzeichen nicht wahrhaben wollen. Damals hatte ich ununterbrochen Magendruck, Magenschmerzen, Magenbrennen. Mein ganzer Körper war eine Verspannung, besonders mein Rücken. Ich vertrug so gut wie kein Essen mehr. Ich hatte krasse Schlafprobleme und schlief nie durch. Nachts lag ich stundenlang wach, meine Gedanken drehten sich im Kreis, ohne zu einem Schluss zu kommen. Ich war meist müde und schlaff. Ich erinnere mich, dass ich Konzentrationsprobleme hatte. Ich schweifte von Tätigkeiten ab, verzettelte mich. Ich war vergesslich und unaufmerksam, legte Dinge irgendwo ab und wusste nicht mehr wo. Ich wertete alles gegen mich. Jedes Wort war ein persönlicher Angriff. Aus heutiger Sicht war das eigentlich das schlimmste. Ich trennte mich immer mehr von meinem Umfeld, zog mich zurück. Ich war körperlich zwar anwesend, aber innerlich war niemand mehr zu Hause. Ordnung und Struktur zu halten war Höchstanstrengung und oft unmöglich. Privat und im Business.
Wir hatten am Standort eine Physiotherapeutin, zu der ich regelmäßig wegen meiner Verspannungen ging. Diese Frau war meine Engel. Sie nahm mich zur Seite und sagte mir, was sie an mir wahrnahm und wie sie es einschätzte. Sie empfahl mir, zur Betriebspsychologin zu gehen. Das tat ich. Die Betriebspsychologin kam zu dem Schluss, dass ich mir eine regelmäßige Begleitung suchen sollte. Sie vermittelte mich an einen Therapeuten.
Widerwillig ging ich zu einem ersten Gespräch zu dem Therapeuten. Ich erklärte ihm, dass ich nicht wirklich glaube, dass ich eine Therapie brauche. Ich würde demnächst sechs Wochen Urlaub machen und danach sei alles wieder gut.
Ich hatte damals eine unglaubliche Sehnsucht nach Ruhe und Stille. Von der Arbeit, aber auch von meinem Familienleben. Dass ich in psychischen Schwierigkeiten bin, habe ich nicht wahrgenommen. Blind Spot.
Irgendwie nicht und irgendwie doch. Auf keinen Fall wollte ich fehlen und Siemens zumuten, dass sie mein Gehalt weiter bezahlen, weil ich mein Leben nicht auf die Reihe kriege und keine Kraft mehr habe.
Also habe ich bei Siemens sechs Wochen Sabbatical beantragt und bekommen. Sechs Wochen war ein Zeitraum, den ich mir selbst beruflich und privat zugestehen konnte. Ich segelte über den Atlantik, machte Yoga und ein 10tägiges Schweigeretreat am Pazifik. Nach sechs Wochen kehrte ich in mein echtes Leben zurück. Dann brach alles zusammen. Nix ging mehr.

Heute sage ich: Erkenne die Zeichen. Fang an zu fühlen, anstatt zu funktionieren. Dein Körper und Deine Seele reden mit Dir.
Probleme verschwinden nicht, wenn Du sie ignorierst. Schon gar kein Burnout. Such Dir Hilfe und nimm Hilfe an. Das ist Selbstliebe. Wer sich selbst nicht liebt, kann auch niemand anderen lieben.

3. Was habe ich getan, als ich drin steckte?

Meine Sehnsucht nach Ruhe und Stille brachte mich zu einer buddhistischen Klosterschule. Dort schrie mich die Stille auf einmal an. Ich hatte lange genug geschwiegen, ich wollte reden. Mein Körper schrie nach Hilfe. Ich wurde krankgeschrieben und habe diese Krankschreibung angenommen. Ich war so fertig, dass ich aufhörte zu kämpfen.
Schließlich ging ich zu dem Therapeuten, den die Betriebspsychologin mir nahe gelegt hatte. Er begleitete mich zwei Jahre lang einmal wöchentlich. Und danach weitere zwei Jahre bei Bedarf. Gesprächstherapie. Mir war klar, dass ich die Stimmen in meinem Kopf auflösen musste, um Depressionen und Angst zu überwinden.
DU-BIST-ZUVIEL
DU-BIST-NICHT-GUT-WIE-DU-BIST
DU-MUSST-IMMER-ALLES-RICHTIG-MACHEN DU-MUSST-IMMER-ALLES-PERFEKT-MACHEN

Ich wollte wissen, wer ich wirklich bin. Mein wahres ICH finden. Meine Grenzen finden. Damit ich lernen konnte, Grenzen zu setzen und NEIN zu sagen. WICHTIG! Und alle Introjektionen (mir fremde verinnerlichte Motive, Werte, Normen) meiner Kindheit auflösen und transformieren. Ich las viele Bücher, beschäftigte mich mit spirituellen Lehren, Tantra, Buddhismus. Ich machte Familienaufstellungen, ging zu einer Schamanin, Kinesiologin. All diese Erfahrungen brachten mich dazu, meine Gefühle wahrzunehmen, anstatt gemäß Stimmen im Kopf zu funktionieren. Schließlich entdeckte ich das Schreiben. Ich reflektierte und ergründete meine Gefühle durchs Schreiben und ordnete mein Leben. Daraus entstand mein Buch. Kotze, Angst und Swinger-Club. Eine wahre Geschichte über die Suche nach der Liebe.
Ich investierte viel Geld in mich selbst. Um zu erforschen, wer ich wirklich bin und was mir guttut. Und wer ich nicht bin.
Meine Psyche brachte meinen Körper aus der Form. Ich war antriebslos, dauer-schlapp, freudlos.
Ich fing an, mich regelmäßig zu bewegen, ging ganz langsam joggen. Und lies dabei die Laufuhr zu Hause. Ich hinterfragte alles, was ich immer gelebt hatte. Das erfordert Mut. Ich tat alles, um von meinem Kopf mit den rasenden Gedanken in meinen Körper zu kommen und ihn zu spüren. Ich hatte in Mexiko Meditation und Yoga gelernt. Ich wurde zu einer Praktizierenden.
Ich merkte, dass mein Körper völlig übersäuert war, und las über Ernährung und Entsäuerung. Ich informierte mich über Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine, Mineralstoffe. Dann stellte ich meine Ernährung um.

Ich schaute mir meine Beziehungen an. Freunde, Verwandte. Und die Energiebilanz. Wer tut mir gut? Wer saugt mir Energie ab? Ich trennte mich von Menschen, die mir nicht guttaten.
Ich machte langsam und wenig.
Ich versuchte nur noch zu tun, was sich gut anfühlte. Und wenn ich wieder ins Funktionieren fiel, begann ich von vorn.
Ich habe auf meine Gefühle gehört. Sie haben mir klar meine nächsten Schritte signalisiert. Ich hatte Depressionen, weil ich Anteile in mir ablehnte. Der Weg der Heilung ist Herzarbeit, um Verbundenheit zwischen Verstand, Körper und Herz herzustellen.

4. Was habe ich getan, damit es nicht nochmal passiert?

Die Frage ist leicht beantwortet: Ich mache nur noch, was sich gut anfühlt.
Wie bin ich hingekommen?

1.) Zu allererst bedeutet es, achtsam und bewusst zu sein und zu fühlen, anstatt auf Autopilot im Leben zu funktionieren. Achtsamkeit. Langsamkeit. Bewusstheit. Dazu gehört, dass ich mein Verhalten reflektiere. Ich identifizierte so erste seltsame Verhaltensweisen. Dinge, die ich immer wieder tat, obwohl sie sich nicht gut anfühlten.

2.) Der nächste Schritt ist, sich mit seinem KONDITIONIERTEM ICH auseinanderzusetzen. Denn das KONDITIONIERTE ICH aka EGO funkte mir die ganze Zeit in meine Gefühle. Es zwang mich dazu, weiterzuarbeiten, obwohl ich fühlte, dass ich erschöpft war und eigentlich Ruhe und Pause bräuchte. Mein EGO zwang mich dazu, Dinge zu tun, die sich nicht gut anfühlen.

EGO-Arbeit ist Bewusstwerdungsarbeit.
Woher kommt es, dass eine Stimme in meinem Kopf mir sagt, dass ich gefälligst weiterarbeiten soll, obwohl mein Körper und Geist schon völlig erschöpft sind?

Was mir bewusst ist, kann ich wahrnehmen. Es steuert mich nicht mehr unbewusst. Ich kann mich bewusst entscheiden, anders zu handeln.

Es ist eine gute Idee, damit anzufangen, seine drei wichtigsten Glaubenssätze zu identifizieren und bewusst zu machen, wie sie sich in den unterschiedlichen Lebensbereichen auswirken. Und sie wirken sich in alle Lebensbereiche aus! Job, Liebesbeziehung, alle anderen Beziehungen, Sex, Gesundheit. Es ist der verdammte Selbstwert. Wenn sie Dir den in der Kindheit zerhauen haben, hast Du den Rest Deines Lebens damit zu tun, ihn wieder aufzupäppeln. Damit Du psychisch gesund, zufrieden und resilient leben kannst. Und vielleicht sogar Glücksempfinden erleben kannst.
Als ich durchs Fühlen herausgefunden hatte, wer ich wirklich bin und was ich wirklich will, begann die eigentliche Arbeit.

Ich begann, es ans Umfeld zu kommunizieren. Glaube mir, das bestehende System fängt an zu reagieren, wenn sich ein Teilchen ändert. Partner, Kinder, Eltern. Wir kennen es alle. Es erscheint, als wenn das bestehende System es verhindern möchte, dass Du Dich änderst. Und das will es auch. Denn es ist gemütlich, nichts zu verändern. Meiner Erfahrung nach ist es in ganz eingefahrenen Systemen auch unmöglich, etwas zu verändern. Insbesondere, wenn andere Systemteile nichts verändern wollen. Da hilft dann manchmal nur, sich aus dem System, wie zum Beispiel vom Partner oder Arbeitgeber zu verabschieden.

Die Kommunikation ins Umfeld war der Zeitpunkt, als ich externe Hilfe angenommen habe. Ich habe mich unterstützen lassen.

Um Dein neues ICH, Dein WAHRES ICH ins echte Leben zu tragen und Dich selbst zu leben, drehst Du viele Runden. Oder Sprints, wie es im agilen Projektmanagement heißt. Es bedeutet ÜBEN, ÜBEN, ÜBEN. Justieren. MACHEN, MACHEN, MACHEN. Vom Planen im Kopf ändert sich nichts.
Mit jedem Sprint wirst Du stärker und kommst dem inneren Frieden und der geistigen Freiheit näher. Dein Kopf mit seinen Konditionierungen bestimmt Dich immer weniger fremd.
Bewusstwerdungsarbeit ist sehr kleinteilig. Folgend einige Stichworte der Bewusstwerdung und Ich-Werdung:
Achtsamkeit, Fühlen, Reflektieren, Kommunizieren, Konfrontation mit Ängsten, Scham, mutig sein, Angstüberwindung, sich verletzlich zeigen, offen, ehrlich und authentisch sein, über Gefühle reden, sich zeigen mit allem, was da ist. Nähe erleben, Intimität, mutig sein, inneres Team, Glaubenssätze, aus der Komfortzone kommen,
Klingt furchteinflößend?

Es ist zu schaffen und es lohnt sich! Denn dadurch fällt man nicht nur nie wieder in Burnout und Depressionen, sondern ich habe mir inneren Frieden und eine große Resilienz (Widerstandsfähigkeit) erarbeitet. Meine verletzten, nicht erwachsen gewordenen Anteile sind geheilt und die erwachsene Sabine hat das Steuer in mir übernommen.
Ich höre meine konditionierten Anteile heute noch rufen manchmal. Das ist wohl lebenslang. Allerdings höre und beobachte ich sie heute, ohne den Stimmen Folge zu leisten. Ich kann bei mir bleiben und tun, was sich für mich gut anfühlt.

Und wer Glücksempfinden fühlen möchte im Leben, der muss in einem ersten Schritt Zufriedenheit und inneren Frieden erreichen.
Je mehr die Welt in den Burnout rennt, wie sie es gerade tut, das Außen aus allen Richtungen schreit, desto wichtiger finde ich es, mich selbst zu fühlen und zu kennen. Wer bin ich, was brauche ich?
Es muss still sein in Dir selbst, kein EGO-Quaken. Dann kannst Du Dich selbst hören und Dich mit der Stille in Dir verbinden. Du stehst dann im Leben wie der Mount Everest im Himalaya.
Und erst dann kannst Du nämlich in jedem Moment Deines Lebens für Dich sorgen. Und für Deine Kinder und Liebsten.
Wenn Du weitere Fragen hast, schreib mir gerne eine PN oder einen Kommentar.


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